Schule in der Pandemie: Hat die Bildungspolitik versagt?

Schulschließungen ohne Konzepte für den Fernunterricht, Versäumnisse in der digitalen Ausstattung, unzureichende Hygienepläne. Die Bildungspolitik der Länder sieht sich in der Pandemie mit teilweise erheblicher Kritik konfrontiert. Die Defizite werden dabei nicht zuletzt beim Bildungsföderalismus und ihrem zentralen Koordinierungsgremium, der Kultusministerkonferenz, verortet.

Doch hat die deutsche föderale Bildungspolitik in der Corona-Krise tatsächlich versagt? Ist sie grundsätzlich reformbedürftig oder hat sie sich bewährt? Was lernen wir aus dem Ausnahmezustand während der Pandemie – was müsste sich für die Zukunft ändern? Und: Wie lässt sich jetzt verhindern, dass Bildungslücken und die soziale Schere größer werden?

Es diskutieren Olaf Köller, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, und Britta Ernst, Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg sowie Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

Die Moderation übernimmt Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht, Universität Hildesheim & Senior Researcher am WZB.

Privatschulen – ein steuerungsfreier Raum?

Die Zahl der Schulen in freier Trägerschaft in Deutschland steigt seit etwa 15 Jahren kontinuierlich an. Wie verschiedene Forschungen gezeigt haben, ziehen die privaten Schulen vor allem Kinder aus einkommensstarken und bildungsnahen Familien an. Häufig werden trotz staatlicher Bezuschussung relativ hohe Schulgelder und Elternbeiträge erhoben. Auf der anderen Seite gibt es relativ wenige rechtliche Vorgaben und kaum aufsichtliche Kontrolle seitens der Bundesländer. Entsteht hier somit Schule in einem steuerungsfreien Raum? Und was bedeutet das für unser Bildungs- und Schulsystem insgesamt?

Es diskutieren Marcel Helbig, Arbeitsbereichsleiter am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe & Fellow am WZB, und Jan Stöß, Staatsrat im Ressort Kinder und Bildung in Bremen.

Die Moderation übernimmt Rita Nikolai, Professorin für Vergleichende Bildungsforschung, Universität Augsburg.

Daten für Taten: Impulse für ein evidenzbasiertes Programm zur Schließung von coronabedingten Lernlücken

In der Bildungspolitik besteht weitgehend Einigkeit darüber, das Bildungssystem evidenzbasiert zu steuern. Notwendige Voraussetzung für eine solche Form der Steuerung ist Wissen über Evidenzen, etwa über Schüler*innen und die Gestalt und das Ausmaß von Problemlagen ebenso wie Wissen über die Wirksamkeit schulpolitischer Maßnahmen. Um dieses Wissen generieren zu können, sind Daten erforderlich, wie sie etwa durch die amtliche (Schul-)Statistik, durch Vergleichsarbeiten oder Kompetenztests sowie im Verwaltungsvollzug erfasst werden.

Allgemein wird angenommen, dass die pandemiebedingten Formen des Schulhaltens mit wechselndem Präsenz-, Distanz- und Hybridunterricht bei vielen Schüler*innen zu „Lernlücken“ und vor allem zu einer Vergrößerung bestehender sozialer Disparitäten geführt haben. Bund und Länder verhandeln derzeit über ein entsprechendes Aktionsprogramm zur Schließung der „Lernlücken“. Belastbare empirische Befunde, an denen ein solches Programm ausgerichtet und formativ sowie summativ evaluiert werden könnte, liegen bisher jedoch kaum vor. Das Problem: Es fehlt vielfach an geeigneten und systematisch erhobenen Daten und wenn sie vorliegen, sind sie meist nicht miteinander verknüpfbar.

Im Vortrag vorgestellt werden einerseits die vorhandenen Daten und Evidenzen und andererseits die Datenerfordernisse für ein effektives und effizientes Bund-Länder-Programm. Zudem wird ein Vorschlag unterbreitet, wie die vorhandenen und zusätzlich zu erhebenden Daten datenschutzkonform für vertiefte Analysen mit dem Ziel verknüpft werden können, eine möglichst tragfähige empirische Basis für die Steuerung eines solchen Programms zu schaffen.

Es diskutieren Detlef Fickermann, Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung, und Helene Palamidis, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS), Brandenburg

Die Moderation übernimmt Benjamin Edelstein – Wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB.

Steuerung auf dem Prüfstand – Wunsch und Wirklichkeit im Bildungsföderalismus

Schulpolitik in Deutschland wirkt im internationalen  Vergleich oft schwerfällig – das scheint sich besonders in der Pandemie zu bestätigen, wo flexible Lösungen gefragt sind, oder mit Blick auf die schleppende Digitalisierung. Dennoch wurden in den letzten beiden Jahrzehnten beträchtliche Veränderungen in der Steuerung von Schulsystemen, etwa mit Blick auf den Leistungs-„Output“ von Schulen, vorgenommen.
Das Grundgesetz und die Schulgesetze der Bundesländer eröffnen Bund und Länder eigentlich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Diese werden allerdings nicht ausreichend genutzt.

Sind die Interessengegensätze nach wie vor zu groß – oder mangelt es am Willen der bildungspolitischen Akteure? Brauchen wir eine grundlegende Reform des deutschen Bildungsföderalismus? Findet staatliche Steuerung in der Bildungspolitik überhaupt noch statt – oder ist sie nur noch reine Fiktion?

Über diese und weitere Fragen der Steuerung im Bildungsföderalismus diskutieren
Rita Nikolai – Professorin für Vergleichende Bildungsforschung, Universität Augsburg und
Mark Rackles – Fellow am WZB & Staatssekretär a.D. der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin.

Die Einführung übernimmt Jutta Allmendinger – Präsidentin des WZB.