Landespolitische Maßnahmen zur Verminderung sozialer Disparitäten

Die hohe Abhängigkeit des schulischen Bildungserfolgs in Deutschland von der sozialen Herkunft ist ein Befund, der von der Bildungsforschung seit Jahrzehnten immer wieder erneuert wurde. Auch der vergleichsweise hohe Anteil von bildungsarmen jungen Menschen besteht, trotz gradueller Verbesserungen, fort. Darüber hinaus ist gerade in großstädtischen Räumen eine erhebliche und weiter zunehmende soziale Segregation zwischen einzelnen Stadtteilen und Schulen zu verzeichnen. Das (Un-)Wort von der „Brennpunktschule“ gehört mittlerweile zum festen Repertoire der bildungspolitischen Debatten. Von einzelnen Bundesländern sind mittlerweile Maßnahmen ergriffen worden, das Problem zu adressieren und Bildungsungleichheiten abzubauen. Zu nennen sind – neben etlichen Einzel- und Modellprogrammen – insb. sozialindizierte Mittelzuweisungen an Schulen (KESS-Index, Bonusprogramm) oder auch die Schaffung neuer Schulformen (bspw. Sekundar- und Gemeinschaftsschulen). Welche Wirkung hatten und haben diese und andere Maßnahmen? Welche landespolitischen Maßnahmen wären nötig, um soziale Ungleichheiten tatsächlich abzubauen? Was ist in den kommenden Jahren von den Ländern – auch mit der Rückendeckung neuer Bundesprogramme – zu erwarten?

Über diese Fragen diskutierten Gabriele Bellenberg, Professorin für Schulforschung und Schulpädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und Martina Diedrich, Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) der Hansestadt Hamburg.

Moderiert wurde die Sitzung von Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hildesheim und Senior Researcher am WZB.

Voraussetzungen und Möglichkeiten von Schulentwicklung zum Abbau von Bildungsungleichheit

Schulen können Bildungsungleichheit allein nicht entgegenwirken, da sie in politische und gesellschaftliche Diskurse, Verwaltungs- und Verteilungsstrukturen eingebettet sind, die benachteiligende Praktiken auf der Ebene des Schulsystems, der Einzelschule und des Unterrichts präfigurieren und legitimieren. Dennoch gibt es Spielräume für Einzelschulen, Lernen und Entwicklung so zu gestalten, dass Ungleichheit innerhalb der Institution nicht zusätzlich verstärkt und im besten Fall abgemildert wird. Will man jedoch Entwicklungen befördern, die über einzelne «Leuchtturmschulen» hinausgehen, dürfen Schulen und in ihnen tätige Menschen nicht allein gelassen werden. Um Bildungsungleichheit systematisch entgegenzuwirken, braucht es neue Konzepte für die Organisation und Prozessgestaltung von Schule und Unterricht sowie ein gezielt auf den Abbau von Benachteiligung gerichtetes Handeln auf allen Ebenen des Bildungssystems und darüber hinaus. Hilfreich könnte hier eine geteilte «Grammatik» des Problemlösens sein, die an den praktischen Problemen der Akteure ansetzt und eine geteilte Logik in der Bearbeitung von Herausforderungen zur Verfügung stellt und so kollektive Selbstwirksamkeitserfahren und «collective agency» befördert.

Es diskutierten Nina Bremm, Professorin für Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Sascha Wenzel, Konrektor der Grundstufe der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli.

Moderiert wurde die Sitzung von Benjamin Edelstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB.