„Forscher*innen haben festgestellt …“ – Bildungsforschung und Medien, ein nicht ganz unkompliziertes Verhältnis

In kaum einem anderen Bereich werden aktuelle Studien so gern und schnell von der Medienberichterstattung aufgenommen wie in der Bildungsforschung. Oft geht es um Vergleiche zwischen Bundesländern, um Fragen von Chancengleichheit oder Defizite im Schulsystem. Einige Studien werden von Stiftungen, Gewerkschaften oder anderen Organisationen gefördert und gezielt über Pressemitteilungen oder -konferenzen in die Medienwelt „gespielt“.

Doch wer „spielt“ hier mit wem? (Inwiefern) beeinflusst der Bildungsjournalismus die Art und Weise, in der wissenschaftliche Studien konzipiert und veröffentlicht werden? Wie gehen Journalist*innen mit Ergebnissen der Bildungsforschung um? Und welche Rolle spielt dabei die (Bildungs-)Politik?

In dieser Folge haben wir das nicht ganz unkomplizierte Verhältnis zwischen Bildungsforschung und Bildungsjournalismus genauer unter die Lupe genommen.

Hierüber diskutierten wir mit Olaf Köller, Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, und Susanne Vieth-Entus, Redakteurin beim Tagesspiegel.

Die Moderation übernahm Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht, Universität Hildesheim, & Senior Researcher am WZB.

Eine Hand wäscht die andere – Zum Verhältnis von Journalismus und Bildungspraxis

Wenn Medien über Schule und Bildung berichten, brauchen sie Protagonist*innen – ohne die Akteur*innen der Bildungspraxis geht es in aller Regel nicht. Umgekehrt brauchen diese aber auch Medien, um sich mit ihren Anliegen öffentlich Gehör zu verschaffen. Häufig aber passen politische Kommunikationsabsichten und mediale Narrativ-Erfordernisse nicht ohne Weiteres zusammen. Wie organisieren Verbände und Gewerkschaften als Vertreter*innen der Bildungspraxis ihre medienöffentliche Kommunikation? Wann und mit welchen Erwartungen treten Journalist*innen typischerweise an die Praxis heran? Was müssen beiden Seiten übereinander wissen, um produktiv zusammenzuwirken?

Hierüber diskutierten wir mit Armin Himmelrath, Bildungs- und Wissenschaftsjournalist, Autor und Moderator, und Anja Bensinger-Stolze, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW, Leiterin des Organisationsbereichs Schule.

Moderiert wurde die Diskussion von Benjamin Edelstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB.

Die Bildungsverwaltungen unter Druck: Neue Steuerungslogik durch neue Medien?

Nach der Auftaktsitzung zur Rolle der Bildungsjournalist:innen in der Bildungspolitik werden in der kommenden Sitzung Steuerungsfragen auf Landesebene aufgerufen. Wie hat sich das mediale Umfeld aus Sicht der Landesverwaltung verändert und bedingen die neuen Medien eine veränderte Steuerungslogik der Bildungsadministration? Fragen wie diesen wurden in dieser Sitzung der Sommer-Kurzstaffel des digitalen Kolloquiums „Wunsch und Wirklichkeit deutscher Bildungspolitik – Steuerung auf dem Prüfstand“ nachgegangen.

Hierüber diskutierten wir mit Jan-Martin Wiarda – Autor, Journalist und Moderator und Martina Diedrich – Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), Hamburg

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Mark Rackles Fellow am WZB & Staatssekretär a.D. der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin.

Podiumsdiskussion: Beschreiben, kritisieren, treiben

Welche Rolle spielen die Medien im Kontext der Bildungssteuerung? Dieser Frage wollen wir in einer Kurzstaffel des digitalen Kolloquiums „Wunsch und Wirklichkeit deutscher Bildungspolitik – Steuerung auf dem Prüfstand“ nachgehen. In der Auftaktsitzung mit Podiumsdiskussion diskutierten wir dafür mit verschiedenen Akteur*innen aus Medien und Politik.

Journalist*innen werden oft als „Vierte Gewalt“ in der Demokratie beschrieben – nur: Wie definieren sie selbst ihre Aufgabe in einer sich rasant verändernden Medienlandschaft? Wo folgen sie Entwicklungen, wo treiben sie sie voran? Und wie wird dadurch die Bildungspolitik beeinflusst und verändert?

Hierüber diskutierten wir mit Silke Fokken, Journalistin (DER SPIEGEL), Martin Spiewak, Journalist (ZEIT), Bob Blume, Gymnasiallehrer und Blogger, und Mark Rackles, Fellow am WZB & Staatssekretär a.D. der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Armin Himmelrath, Autor, Moderator, Bildungs- und Wissenschaftsjournalist.

20 Debatten um Bildungssteuerung: ein Zwischenfazit

In zwei Staffeln und insgesamt 20 Sitzungen wurde im WZB-Kolloquium „Wunsch und Wirklichkeit deutscher Bildungspolitik – Steuerung auf dem Prüfstand“ über die Probleme in der Steuerung von Bildungsprozessen, über die verschiedenen Handlungsebenen und mögliche Lösungsansätze gesprochen. Das Format setzte in jeder Sitzung systematisch auf einen Input fachkundiger Wissenschaftler:innen und eine Kommentierung durch eine:n erfahrene:n Bildungspraktiker:in bzw. Bildungspolitiker:in. Auf der Praxisseite haben sich Schulleitungen, Schulaufsichten, Staatssekretär:innen und Minister:innen der Bildungsverwaltung sowie KMK-Generalsekretär und KMK-Präsidentin eingebracht. Zum Abschluss der zweiten Staffel wollen wir aus wissenschaftlicher und bildungspraktischer Sicht ein kritisches Zwischenfazit ziehen und im (moderierten) Gespräch mit allen interessierten Teilnehmer:innen des Kolloquiums nach dem Ertrag der Reihe fragen. Aus wissenschaftlicher Sicht stellte sich etwa die Frage nach Transferhindernissen von Erkenntnissen in die Praxis und von Forschungslücken wie etwa auf Ebene der Schulaufsichten. Auf schulpraktischer Seite rückte zuletzt die Frage nach der systemischen Angst vor Strukturfragen und die Flucht in Schulfrieden und Kompensationsprogrammen in den Vordergrund. Wo hat das Kolloquium neue Einsichten, Fragen oder Ansätze befördert, wo hat es ggf. Grenzen von Steuerungsmöglichkeiten aufgezeigt? Welche Themen sollten in einer etwaigen weiteren Staffel in den Blick genommen werden? Diese und weitere, von Ihnen einzubringende Fragen wurden im offenen Format mit den Organisator:innen des Kolloquiums online diskutiert.

Aus dem Kreis der Organisator:innen erfolgte ein erstes Resümee aus wissenschaftlicher Sicht durch Benjamin Edelstein (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB), aus bildungspolitischer Sicht durch Mark Rackles (Staatssekretär a.D. und Fellow am WZB). Stefan Immerfall, Professor für Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, stellte seinen Blick als Zuschauer auf das Kolloquium vor.

Wenn Sie noch Anregungen, Kritik oder Verbesserungsvorschläge haben, melden Sie sich jederzeit bei uns!

Schulpolitik gegen Bildungsungleichheit – Was tun Bund und Länder?

Seit Jahrzehnten wird die enge Verbindung von soziale Herkunft und Bildungsarmut in Deutschland politisch thematisiert. In den letzten Sitzungen des Kolloquiums wurden die Steuerungsmöglichkeiten gegen Bildungsungleichheit auf schulischer Ebene, auf Ebene der Schulträger und auf Ebene der Schulverwaltung beleuchtet und diskutiert. In der anstehenden  Sitzung soll aus einer länderübergreifenden Ebene gefragt werden, was gegen Bildungsungleichheiten getan wird bzw. getan werden könnte. Die Debatte scheint sich über die Jahre von einer Debatte um Strukturen (wie etwa zu Mehrgliedrigkeit des Schulsystems) zu einer Debatte um Programme verschoben zu haben. KMK und BMBF haben 2019 das Programm „Schule macht stark“ aufgelegt (300 Schulen). Die neue Ampel-Regierung hat 2021 das „Startchancen“-Programm für 4.000 Schulen aufgelegt und für weitere 4.000 Schulen „in benachteiligten Regionen und Quartieren“ zusätzliche Personalstellen angekündigt. Ist von diesen milliardenschweren Programmen ein Abbau von Bildungsungleichheit zu erwarten und was lässt sich länderübergreifend steuern?

Hierüber diskutierten wir mit Isabelle van Ackeren, Professorin für Bildungssystem- und Schulentwicklungsforschung an der Universität Duisburg-Essen und Helmut Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport in Thüringen.

Moderiert wurde die Sitzung von Mark Rackles, Staatssekretär a.D. und Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Landespolitische Maßnahmen zur Verminderung sozialer Disparitäten

Die hohe Abhängigkeit des schulischen Bildungserfolgs in Deutschland von der sozialen Herkunft ist ein Befund, der von der Bildungsforschung seit Jahrzehnten immer wieder erneuert wurde. Auch der vergleichsweise hohe Anteil von bildungsarmen jungen Menschen besteht, trotz gradueller Verbesserungen, fort. Darüber hinaus ist gerade in großstädtischen Räumen eine erhebliche und weiter zunehmende soziale Segregation zwischen einzelnen Stadtteilen und Schulen zu verzeichnen. Das (Un-)Wort von der „Brennpunktschule“ gehört mittlerweile zum festen Repertoire der bildungspolitischen Debatten. Von einzelnen Bundesländern sind mittlerweile Maßnahmen ergriffen worden, das Problem zu adressieren und Bildungsungleichheiten abzubauen. Zu nennen sind – neben etlichen Einzel- und Modellprogrammen – insb. sozialindizierte Mittelzuweisungen an Schulen (KESS-Index, Bonusprogramm) oder auch die Schaffung neuer Schulformen (bspw. Sekundar- und Gemeinschaftsschulen). Welche Wirkung hatten und haben diese und andere Maßnahmen? Welche landespolitischen Maßnahmen wären nötig, um soziale Ungleichheiten tatsächlich abzubauen? Was ist in den kommenden Jahren von den Ländern – auch mit der Rückendeckung neuer Bundesprogramme – zu erwarten?

Über diese Fragen diskutierten Gabriele Bellenberg, Professorin für Schulforschung und Schulpädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und Martina Diedrich, Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) der Hansestadt Hamburg.

Moderiert wurde die Sitzung von Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hildesheim und Senior Researcher am WZB.

Handlungsansätze kommunaler Schulträger zur Reduzierung sozialer (Bildungs-)Ungleichheiten

Vor welchen Herausforderungen und Steuerungsmöglichkeiten stehen Kommunen, um soziale (Bildungs-)Ungleichheiten an Schulen abbauen zu können? Wie kann dabei die Zusammenarbeit verschiedener Akteure auf kommunaler Ebene gestaltet werden? Diese Fragen wurden sowohl im Vortrag als auch anhand von Praxisbeispielen erläutert.

Der einführende Vortrag erfolgte durch Norbert Sendzik, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Die Kommentierung der Ausführungen erfolgte durch Björn Hermstein, Schulentwicklungsplaner im Dezernat ‘Familie, Schule, Integration und Sport’ der Stadt Oberhausen.

Die Sitzung wurde moderiert von Rita Nikolai, Professorin an der Universität Augsburg.

Voraussetzungen und Möglichkeiten von Schulentwicklung zum Abbau von Bildungsungleichheit

Schulen können Bildungsungleichheit allein nicht entgegenwirken, da sie in politische und gesellschaftliche Diskurse, Verwaltungs- und Verteilungsstrukturen eingebettet sind, die benachteiligende Praktiken auf der Ebene des Schulsystems, der Einzelschule und des Unterrichts präfigurieren und legitimieren. Dennoch gibt es Spielräume für Einzelschulen, Lernen und Entwicklung so zu gestalten, dass Ungleichheit innerhalb der Institution nicht zusätzlich verstärkt und im besten Fall abgemildert wird. Will man jedoch Entwicklungen befördern, die über einzelne «Leuchtturmschulen» hinausgehen, dürfen Schulen und in ihnen tätige Menschen nicht allein gelassen werden. Um Bildungsungleichheit systematisch entgegenzuwirken, braucht es neue Konzepte für die Organisation und Prozessgestaltung von Schule und Unterricht sowie ein gezielt auf den Abbau von Benachteiligung gerichtetes Handeln auf allen Ebenen des Bildungssystems und darüber hinaus. Hilfreich könnte hier eine geteilte «Grammatik» des Problemlösens sein, die an den praktischen Problemen der Akteure ansetzt und eine geteilte Logik in der Bearbeitung von Herausforderungen zur Verfügung stellt und so kollektive Selbstwirksamkeitserfahren und «collective agency» befördert.

Es diskutierten Nina Bremm, Professorin für Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Sascha Wenzel, Konrektor der Grundstufe der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli.

Moderiert wurde die Sitzung von Benjamin Edelstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB.

Digitalisierung und Soziale Ungleichheit

Der erste Zyklus des Kolloquiums zur „Digitalisierung” ist nunmehr abgeschlossen und der Start des zweiten Zyklus zum Steuerungsproblem „Bildungsungleichheit“ steht unmittelbar bevor. Diese Sitzung ist als Scharnier zwischen den Zyklen angelegt und leuchtete in zwei Vorträgen Zusammenhänge zwischen den beiden Themenkomplexen aus.  

Im Vortrag von Prof. Dr. Julia Gerick (TU Braunschweig) stand der Zusammenhang von Digitalisierung und sozialer Ungleichheit auf der Ebene der einzelnen Schüler*innen im Fokus. Auf Grundlage der 2018 zum zweiten Mal durchgeführten International Computer and Information Literacy Study (ICILS) wurden vier Dimensionen ‚digitaler Spaltung‘ betrachtet: Der materielle und physische Zugang zu digitalen Medien, die auf sie bezogenen Einstellungen der Schüler*innen, das Nutzungsverhalten sowie der besonders relevante Aspekt der ‚digitalen Kompetenzen‘. Die Befunde zeigten, dass insbesondere im Bereich des Kompetenzerwerbs der Schüler*innen nach wie vor starke herkunftsbedingte Disparitäten bestehen.

Der Vortrag von Prof. Dr. Kathrin Racherbäumer (Universität Siegen) verlagerte den Fokus anschließend von der Individualebene auf die Ebene der Schulen, wobei die digitalisierungsbezogene Schulentwicklung an sozialräumlich benachteiligten Schulen im Zentrum der Betrachtung steht. Sie fragte nach der sächlichen und personellen Ausstattung dieser Schulen und explorierte die Haltung dort tätiger Lehrpersonen zum Einsatz digitaler Medien. Obgleich Forschungsergebnisse seit längerem auf das Potential der Digitalisierung gerade für benachteiligte Schüler*innen verweisen, offenbaren Interviews diesbezüglich große Skepsis in den Kollegien.

Moderiert wurde die Sitzung von Benjamin Edelstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZB.